Behindertenfragen

Wenn das Leben dich auf neue Wege zwingt


WENN DAS LEBEN DICH AUF NEUE WEGE ZWINGT

Man weiß ganz genau was man im nächsten Monat machen wird – im Garten gibt’s viel zu tun, Tante Liesbeth hat Geburtstag, ja Schatz – wir gehen bald auch mal wieder zu einem Lieblingsitaliener essen. In der kleinen Firma stehen Veränderungen an. Die können nicht verschoben werden. Und der eine große Auftrag wäre so wichtig. Man hat also die großen und die kleinen Dinge im Kopf, ganz deutlich verplant…

Aber dann: Irgendwas im eigenen Körper geht schief. Er funktioniert einfach nicht mehr. Alltägliches wird von heute auf morgen unmöglich! Das trifft nicht nur deine kranken Organe, das verletzt auch deine Seele, dein Selbstverständnis. Du warst bisher immer der Macher, der Initiator, der Akteur an allen Fronten. Jetzt liegst du im Krankenhausbett, Tag für Tag. Der immer gleiche Blick aus dem Zimmerfenster, dieser limitierte Ausschnitt in die Welt dort draußen. Das verschärft den Schock. Du bist erstmal nicht mehr dabei!

Dieses „erstmal“ ist wichtig. Du darfst nicht aufgeben. Momente für eine Resignation gibt es viele. Wenn wieder eine Untersuchung schlechte Nachrichten bringt, wenn Besserung auch heute ausbleibt. Du erlebst auch das Elend anderer Erkrankter, ganz nah, ohne Filter. Ausblenden geht nicht. Du musst diese Momente der Resignation vorüber gehen lassen. Auch wenn du wieder heulen musst. Stille, einsame Tränen. Wer dich kennt und mag, der sieht die Spuren dieser Tränen in deinem Gesicht. Und sie werden als Narben in deiner Seele bleiben.

Du bist doch eigentlich noch gar nicht in dem Alter! Das Schicksal kümmert das nicht. Im großen Spiel des Lebens sind wir alle nur winzige Bausteine. Mit einem Schlag gibt es nur noch einen anderen, eingeschränkten Weg für dich. Man wird ihn akzeptieren müssen, mit anderen Grenzen, mit weniger Möglichkeiten – eventuell aber auch ganz neuen Chancen. Es wird auf dich zukommen und es liegt an dir dich darauf vorzubereiten.

Wenn „nur“ deine Gliedmaßen nicht mehr ihren Dienst tun, dann ist das schlimm genug. Sollte allerdings im Kopf irgendeine Funktion gestört sein. Furchtbar! Vielleicht merkst du selbst es kaum – andere schon. Dann bleibt fast nichts wie gewohnt. Ich hab solche Menschen erlebt.

Auch wenn du es besser getroffen hast: Neues Spiel, weniger Optionen, andere Gelegenheiten, aber immer noch dein Leben!

Wer das dann später nicht versteht, der sollte dir egal sein. So wie die, die ständig etwas von dir wollten, als du „funktioniert“ hast, jetzt aber „keine Zeit haben“ sich mal zu melden, wenn es dir erbärmlich geht. Streich sie! Sie leben erbärmlich! Die, die jetzt zu dir halten sind gut für deine Seele. Manchmal sind es Leute mit denen du gar nicht gerechnet hast. Halte sie! Sie gehören zu den guten Ergebnissen deiner Krise.

Du wirst nie wieder ganz der Alte sein, akzeptiere das, aber du wirst einen neuen Platz in dieser Welt finden. Bestimmt.

Hartmut Winkelmann

Mein Leben, wie es sich gegenwärtig anfühlt.


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