Wenn der Naturschutz aus den Fugen gerät …
„Ein possierliches und höchst intelligentes Geschöpf.“ hätte der berühmte Professor und Naturforscher Grzimek früher sicher gesagt, wenn es um unsere gefiederten Freunde gegangen wäre. Wer heute mit ihnen in Nachbarschaft leben muss, der streicht das „possierlich“ sicher liebend gern aus der Bezeichnung. Sie treten gerade auch in unserer Stadt in Massen auf, sie sind lästig, lautstark, frech und ziemlich produzieren Dreck. Aber sie sind streng geschützt, da es sich um eine vom Aussterben bedrohte Art handeln soll. Fällt einem in Pritzwalk schwer zu glauben. Es ist aber bundesweit und fast europaweit so geregelt, eine Bejagung deshalb ausgeschlossen. Besonders wenn man an der Perleberger Straße oder der Schönhagener Straße wohnt oder dort auch nur regelmäßig vorbei muss wird von einem lautstarken Konzert der „schwarzen Gemeinschaft“ begrüßt. Gerade jetzt, da die Jungtiere flügge sind, ist der Krach immens. Und das ist nicht die einzige „Begrüßung“ dieser „netten“ tierischen Mitbewohner: Wer sein Auto schon mal unter den zahlreichen Krähen-Bäumen geparkt hat, oder zu Fuß oder per Rad auf dem Fußweg am Friedhof unterwegs war, der bekam Geschenke von oben in Hülle und Fülle. Eher in Hülle und Gülle! Diese lieben kleinen Vögel (bei einer anderen Bezeichnung ernten wir ansonsten wieder einen Shitstorm einzig wahrer Naturfreunde!) kacken alles voll: Autos, Gehwege, Passanten, Mauern, Zäune – und das in Größenordnungen. Wer an den genannten Straßen, oder den täglichen Zugrouten der Krähen wohnt, für den ist die Anschaffung eines passenden Gehörschutzes eine durchaus bedenkenswerte Investition. Der Radau ist gewaltig!
Es hat sich Frust bei Anwohnern und anderen Bürgern angesammelt. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung sucht man seit Jahren nach einer akzeptablen Lösung des Problems. Naturschutz ja, aber keine Übervölkerung mit diesen schwarzen Gesellen!
Die Krähen-Kolonie wirkt wie ein Staat im Staate – man kann kaum etwas dagegen tun. Der gesetzliche Rahmen ist eng. Die Saatkrähe als solche ist ganzjährig geschützt. Sie darf weder geschossen noch sonst wie gejagt werden.
Der Chef des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshafen Baierlein sagt: „Durch die Verknappung des Nahrungsangebotes auf den Feldern und illegalen Vergiftungsmaßnahmen sind immer mehr Krähen in die Städte gezogen.“ Sie finden hier viel zu fressen. Müllsäcke und Gärten sind einfache Ziele für die geflügelte Brut. Am liebsten sind ihnen menschliche Nahrungsreste, wie Fastfood. Aber auch vor Alkohol machen sie keinen Halt. Es gibt Videos von Bier und Sekt trinkenden Vögeln.
Auf Drängen insbesondere des Stadtverordneten Helmut Kühn (Freie Wähler) hat die Pritzwalker Stadtverwaltung alle möglichen Szenarien durchgespielt. Es gibt wenige Ansatzpunkte für praktisches und erfolgversprechendes Handeln.
Vergrämungsversuche gab es europaweit bereits viele. Nur wenige zeigten dauerhaften Erfolg. In Pritzwalk hatte man vor etlichen Jahren einen Uhu auf dem Friedhof angesiedelt, damit er sich speziell um die Brut und Jungtiere des „Krähenstaates“ kümmere. Das klappte einige Zeit gut. Dann war der gefiederte Freund verschwunden. Man vermutete einen gezielten Angriff der Krähen.
Andernorts hat man es mit Drohnen versucht, die Raubvogelgeräusche und Warnlaute ausstoßen. Familie Krähe schreckte kurz auf und hatte sich bald an diese Störenfriede gewohnt. Maximal konnte man eine Verteilung der Tiere auf mehrere Splitterkolonien erreichen.
In Soest kam jemand auf die Idee die Warnrufe der örtlichen Kolonie nach einem Aufschrecken aufzuzeichnen und dann mittels einer in den Krähenbäumen montierten Tonanlage (Bild) immer wieder abzuspielen. Ein kleiner Erfolg trat ein: Die ungebetenen Gäste fühlten sich gestört, räumten den bisherigen Standort, errichteten ihre neuen Nester aber nicht weit entfernt.
In Baden-Württemberg baute man mit Hilfe der Feuerwehr die Brutstätten ab. Half aber nichts, denn sie wurden danach umso stabiler wieder neu errichtet. Vergrämt man ältere Brutpaare, rücken sofort jüngere, noch aktivere Exemplare nach.
Der Schutz bedrohter Tierarten ist sicher notwendig. Es ist allerdings unverständlich, dass derart scharfe Schutzbestimmungen aufrecht erhalten bleiben, wenn immer mehr Städte in Deutschland, Holland und anderen Gegenden unter extrem starken Krähenkolonien mit jeweils weit über 1.000 Exemplaren und deren spürbare Folgen klagen.
„Es ist wie ein Leben im Film.“ sagt ein Betroffener: „Man kommt sich manchmal vor wie in Hitchcocks „Vögel“ Das artgerechte Leben der Krähen wird gesetzlich garantiert. Ein artgerechtes Leben der Menschen ist dadurch aber immer schwerer!“ so der leidtragende Bürger.
PSZ

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