Was von der Woche übrig blieb
Die gewählten Vertreter in Pritzwalk haben sich alle fürchterlich lieb. Das glauben Sie nicht? Jedenfalls bricht beim ersten Anflug von Kontroverse für den ein oder anderen eine Welt zusammen. Und vermeintliche Anschläge auf das von Harmoniestreben geprägte Miteinander führen beinahe zu kollektiven Schweißausbrüchen. Es gibt also im Grunde niemals Streit, sondern nur die fast panische Furcht davor.
Man glaubt ja gar nicht, wie sehr die Angst vor zu geringer Wertschätzung einer anderen Person die Bereitschaft zu einer Kritik an ebendieser überlagert, sodass dem ein oder anderen Verwalter schon jetzt eine gute Genesung für die nächste anstehende Krankheitsphase gewünscht wird. Bei manchem führt dies zu dem Fehlschluss, er sei unangreifbar. Mit der Zeit, wenn alle der Meinung sind, dass man die Arbeit des anderen zunächst mal anerkennen müsse, bevor man sie überhaupt kritisch unter die Lupe nimmt, dankt man der Verwaltung zunächst für ihre ganz normale, nicht immer gut, aber immerhin bezahlte Arbeit. Dann ist ja alles gut, denn wer freut sich nicht darüber?
Nun mag die Arbeit ja auch wirklich gut sein. Was aber, wenn man sich gar nicht mehr die Mühe gibt, das zu ergründen – vielleicht auch, weil man gar nicht mehr weiß, wie das geht? Ups, da war doch was. Eigentlich haben alle doch die Stadtverordneten genau deswegen gewählt. Aber um überhaupt dazu was sagen zu können, müsste man ja zumindest mal die Unterlagen lesen. Etwa einen Haushaltsplan, zu dem übrigens auch der Stellenplan gehört. Wenn darin ein findiger Mensch tatsächlich mal eine Ungereimtheit findet, müsste man den Haushalt eigentlich ablehnen oder die Entscheidung zurückstellen. Nicht so in Pritzwalk. Da stimmt man einfach erstmal zu – Bedenken hin oder her.
Bricht dann doch mal die Revolution aus, möchte man aber keinem damit wehtun. Oh Mann, was nun? Konsequent wäre nun der Rückgriff auf alte Traditionen. Wie wäre es mit einem Lob für die erfolgreiche Arbeit? Das beruhigt das Gewissen ungemein, und die Welt ist wieder in Ordnung. (Von Bernd Atzenroth)
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